Alltag in Torgau: Morgens

Wenn die erste Bluetooth-Box

mit billigster und inhaltsleerer Autotune-Musik

von Achtelstarken ins heilige Gymnasium getragen wird,

vor dessen Quietschetoren sich der Raucherdunst erhebt,

Chihuahuas nach Luft ringen,

weil sie zu viel kläffen und dann, völlig human,

mit Leinen gewürgt werden,

während richtige Hunde die Gehwege zuscheißen,

die Fahrerinnen des Die-Hard-Seniorenheims

die Straßenverkehrsordnung als Empfehlung verstehen,

beim Aldi der bereits zweite Vodka über den Scanner geht,

Günther und sein Enkel Ronny

in ihrem Revier für die Sicherheit der deutschen Heimat

mit erhobener Nase und Restbierfahne patrouillieren,

sich die SUVs in der Innenstadt stapeln,

aus denen Leute tölpelhaft fallen, die meinen,

sie täten irgendwas Bedeutendes für irgendwen,

Ursula und Frederike über Brigitte so lautstark lästern,

dass selbst die Nebenorte jedes Wort verstehen,

der letzte Rest Grün mit Salz und Flammenwerfer

genüsslich zugrunde gerichtet wird,

die Möchtegernkommunalverbesserer und -weltenretter

die asozialen Medien mit schiefen Fotos

und einer Batterie von Hashtags zupflastern

und auf dem Markt der Peinlichkeiten

das nächste Kultur-ist-Bier-und-Bratwurst-Paradies

maximal unprofessionell zusammengesetzt wird,

dann drehe ich mich zum Fenster,

lasse einen ziehen, zeige der Stadt den Mittelfinger

und gähne mich gelangweilt wieder in den Schlaf.

René Kanzler

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